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Deutscher Buchpreis für Martina Hefter: Ein Roman für fast alle

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In schlaflosen Nächten chattet Juno mit Love-Scammern

Wenn Juno nicht tanzt, hilft sie ihrem schwerkranken Mann, den Alltag zu bewältigen. Jupiter sitzt im Rollstuhl und kann sich kaum noch bewegen. Nachts ist die schlaflose Künstlerin stundenlang im Internet unterwegs. Oft chattet sie mit Love-Scammern, also mit Leuten, die Liebe vorspielen, aber doch nur an das Geld ihrer Opfer denken. Die Ansprache der oft in Afrika lebenden Betrüger, die einsamen Herzen im reichen Westen hinterherjagen, ist weder variantenreich noch originell. Die schlaue, manchmal überhebliche Juno spielt mit den Kriminellen, auch wenn sie sich durchaus nach den Liebesgeschichten sehnt, die ihr phrasenreich angeboten werden. Nachdem sie mal wieder einen Fake-Account enttarnt hat, lernt sie den Menschen hinter dem Decknamen kennen. Benu ist anders, durchschaut nicht nur die Sehnsüchte der Erzählerin, sondern auch die eigenen Lebenslügen. Es kommt zu einer Annährung auf Distanz, die zum Nachdenken über alte und neue Formen des Kolonialismus führt.

In einer Nacht durchgelesen

„Hey guten Morgen, wie geht es dir?“ ist Literatur, die im wahrsten Sinne des Wortes vom Herumirren im Internet abhält. Das Buch lässt sich flugs in einer Nacht durchlesen. Allein deshalb verdient es jede Auszeichnung. Der Deutsche Buchpreis für Martina Hefter ist zudem ein großer Erfolg für den Stuttgarter Klett-Cotta Verlag, der unter der Leitung von Tom Kraushaar seit Jahren viel Zeit, Energie und Geld in die Stärkung seiner Belletristik-Sparte steckt. In diesem Jahr stand Klett-Cotta sogar mit zwei Titeln auf der Shortlist.

Gelungene Online-Dialoge

Die Buchpreis-Jury hat sich für einen Text entschieden, der weder inhaltlich noch formal allzu sehr herausfordert, verwundert oder gar verstört. Hefters Buch bietet eine flotte Dialogvariante der seit Jahren beliebten Autofiktion. Die Tonlage changiert gekonnt zwischen ernst und komisch. Autorin und Protagonistin wissen, was eine gute Performance ist. Martina Hefter hat an dem Text „nur etwas länger als ein Jahr gearbeitet“, heißt es im Nachklapp. Diese marktkonforme Effizienz unter Literaten ist fast schon unheimlich. Das Thema, das journalistisch oft bearbeitet wurde, lässt sich leicht vermitteln, ist in der deutschsprachigen Literatur aber ein Novum. Tatsächlich bieten die gelungenen Online-Gespräche zwischen dem Love-Scammer und der Nachtschwärmerin das literarische Kunststück, die Smileys und anderen Emoticons in Sprache zurückzuübersetzen.

Die Buchkritik von Wolfgang Schneider

Buchhandel und Publikum werden begeistert sein

„Hey guten Morgen, wie geht es dir?“ ist ein Internet-Roman für fast alle. Damit entspricht die Auswahl passgenau den Kriterien für den Deutschen Buchpreis, der ins Leben gerufen wurde, um „über Ländergrenzen hinaus Aufmerksamkeit zu schaffen für deutschsprachige Autorinnen und Autoren, das Lesen und das Leitmedium Buch“. Handel und Publikum werden über diese Entscheidung begeistert sein. Es wäre wohl schwieriger gewesen, das sprachexperimentelle, tausendseitige Karl-May-Kriege-und-Kino-Werk „Die Projektoren“ von Clemens Meyer dementsprechend zu bewerben – wobei das Buch gewiss zu den Favoriten auf der Shortlist gehörte.

In politischer Hinsicht verpasste Chance

Die Jury hätte auch die Chance gehabt, Ronya Othmanns Meilenstein des dokumentarischen Erzählens, nämlich ihren herausragenden Roman „Vierundsiebzig“ über die Völkermorde an den Jesiden auszuzeichnen. Das wäre nicht nur in literarischer, sondern auch in politischer Hinsicht mutiger gewesen. Doch das erschütternde Prosawerk, das sich nicht zuletzt mit den Grenzen der Sprache befasst, hat auch ohne Buchpreis bereits Literaturgeschichte geschrieben. Einmalig aber war auch die Vergabe des Buchpreises an Martina Hefter, die nach Frankfurt mit dem Mann an ihrer Seite angereist war, der sich nur im Rollstuhl fortbewegen kann. So wirkte die Preisverleihung wie die Fortsetzung des ausgezeichneten Romans in die Realwelt.
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Wenn Juno nicht tanzt, hilft sie ihrem schwerkranken Mann, den Alltag zu bewältigen. Jupiter sitzt im Rollstuhl und kann sich kaum noch bewegen. Nachts ist die schlaflose Künstlerin stundenlang im Internet unterwegs. Oft chattet sie mit Love-Scammern, also mit Leuten, die Liebe vorspielen, aber doch nur an das Geld ihrer Opfer denken. Die Ansprache der oft in Afrika lebenden Betrüger, die einsamen Herzen im reichen Westen hinterherjagen, ist weder variantenreich noch originell. Die schlaue, manchmal überhebliche Juno spielt mit den Kriminellen, auch wenn sie sich durchaus nach den Liebesgeschichten sehnt, die ihr phrasenreich angeboten werden. Nachdem sie mal wieder einen Fake-Account enttarnt hat, lernt sie den Menschen hinter dem Decknamen kennen. Benu ist anders, durchschaut nicht nur die Sehnsüchte der Erzählerin, sondern auch die eigenen Lebenslügen. Es kommt zu einer Annährung auf Distanz, die zum Nachdenken über alte und neue Formen des Kolonialismus führt.

In einer Nacht durchgelesen

„Hey guten Morgen, wie geht es dir?“ ist Literatur, die im wahrsten Sinne des Wortes vom Herumirren im Internet abhält. Das Buch lässt sich flugs in einer Nacht durchlesen. Allein deshalb verdient es jede Auszeichnung. Der Deutsche Buchpreis für Martina Hefter ist zudem ein großer Erfolg für den Stuttgarter Klett-Cotta Verlag, der unter der Leitung von Tom Kraushaar seit Jahren viel Zeit, Energie und Geld in die Stärkung seiner Belletristik-Sparte steckt. In diesem Jahr stand Klett-Cotta sogar mit zwei Titeln auf der Shortlist.

Gelungene Online-Dialoge

Die Buchpreis-Jury hat sich für einen Text entschieden, der weder inhaltlich noch formal allzu sehr herausfordert, verwundert oder gar verstört. Hefters Buch bietet eine flotte Dialogvariante der seit Jahren beliebten Autofiktion. Die Tonlage changiert gekonnt zwischen ernst und komisch. Autorin und Protagonistin wissen, was eine gute Performance ist. Martina Hefter hat an dem Text „nur etwas länger als ein Jahr gearbeitet“, heißt es im Nachklapp. Diese marktkonforme Effizienz unter Literaten ist fast schon unheimlich. Das Thema, das journalistisch oft bearbeitet wurde, lässt sich leicht vermitteln, ist in der deutschsprachigen Literatur aber ein Novum. Tatsächlich bieten die gelungenen Online-Gespräche zwischen dem Love-Scammer und der Nachtschwärmerin das literarische Kunststück, die Smileys und anderen Emoticons in Sprache zurückzuübersetzen.

Die Buchkritik von Wolfgang Schneider

Buchhandel und Publikum werden begeistert sein

„Hey guten Morgen, wie geht es dir?“ ist ein Internet-Roman für fast alle. Damit entspricht die Auswahl passgenau den Kriterien für den Deutschen Buchpreis, der ins Leben gerufen wurde, um „über Ländergrenzen hinaus Aufmerksamkeit zu schaffen für deutschsprachige Autorinnen und Autoren, das Lesen und das Leitmedium Buch“. Handel und Publikum werden über diese Entscheidung begeistert sein. Es wäre wohl schwieriger gewesen, das sprachexperimentelle, tausendseitige Karl-May-Kriege-und-Kino-Werk „Die Projektoren“ von Clemens Meyer dementsprechend zu bewerben – wobei das Buch gewiss zu den Favoriten auf der Shortlist gehörte.

In politischer Hinsicht verpasste Chance

Die Jury hätte auch die Chance gehabt, Ronya Othmanns Meilenstein des dokumentarischen Erzählens, nämlich ihren herausragenden Roman „Vierundsiebzig“ über die Völkermorde an den Jesiden auszuzeichnen. Das wäre nicht nur in literarischer, sondern auch in politischer Hinsicht mutiger gewesen. Doch das erschütternde Prosawerk, das sich nicht zuletzt mit den Grenzen der Sprache befasst, hat auch ohne Buchpreis bereits Literaturgeschichte geschrieben. Einmalig aber war auch die Vergabe des Buchpreises an Martina Hefter, die nach Frankfurt mit dem Mann an ihrer Seite angereist war, der sich nur im Rollstuhl fortbewegen kann. So wirkte die Preisverleihung wie die Fortsetzung des ausgezeichneten Romans in die Realwelt.
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