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Sexuelle Gewalt bei den Pfadfindern – kann man seine Kinder dort hinschicken, Sven Reiß?

 
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Kulturwissenschaftler Sven Reiß

Wenn man an Pfadfinder denkt, dann fallen einem neben dem Klischee der täglichen guten Tat vor allem Abenteuer in Zeltlagern, tolle Gemeinschaftserlebnisse und Naturverbundenheit ein. Doch die Erfolgsgeschichte hat Schattenseiten: Anfang des Jahres hat der Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder eine Studie zum sexuellen Missbrauch in den eigenen Reihen vorgestellt. Die Untersuchung geht von mindestens 50 Beschuldigten und 123 Betroffenen aus, dazu kommen der Studie zufolge 24 Beschuldigte und 26 Betroffene, die zwar aus dem Pfadfinder-Zusammenhang stammen, aber nicht zum Verband gehören. Der Schwerpunkt der Studie liegt auf den Jahren zwischen 1976 und 2006. Warum es bei Pfadfindern zu sexueller Gewalt kommen konnte, hat auch damit zu tun, dass sexuelle Gewalt bei den Pfadfindern lange als „pädagogischer Eros” akzeptiert und ideologisch legitimiert wurde.

Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche hat in deutschen Jugendbewegungen eine gewisse Tradition: Schon der 1921 wegen sexuellem Missbrauch rechtskräftig verurteilte Reformpädagoge Gustav Wyneken verteidigte sich vor Gericht, indem er sein Handeln als „pädagogischen Eros” verklärte. Er berief sich direkt auf das Vorbild griechischer Päderastie. Verquaste Vorstellungen, und doch wurden sie innerhalb der Pädagogik und der Jugendbewegung immer wieder als Legitimation für Übergriffe an Pubertierenden rezipiert. Ein anderer Ideologe, der Philosoph und Wandervogel Hans Blüher, beschrieb vor einhundert Jahren die Wandervogelbewegung als ein männerbündisches, erotisches Phänomen: päderastische „Heerführer der Jugend“ seien demnach die eigentlichen „Wirbelpunkte“ der Bewegung. Seither mangelte es nicht an bagatellisierenden Erklärungen, die unter den Begriffen einer „starken Freundesliebe“ oder jener „Kraft des Eros“ rein geistige Beziehungen verstanden wissen wollten. Bei solchen Einblicken stellt sich die Frage, ob man überhaupt noch Kinder in jugendbewegte Gruppen geben könne. Sven Reiß, der ausgiebig zum Thema „Sexuelle Gewalt in der deutschen Jugendbewegung” forscht, sagt: Man kann. Junge Menschen innerhalb der Szene sind sensibilisiert und brechen Tabus. Viele Bünde haben bereits eigene Präventionskonzepte zu diesem Thema und schulen ihre Mitglieder. Der Arbeitskreis „Schatten der Jugendbewegung“ fördert seit 2010 den offenen Austausch, bietet Schulungen an und widmet sich den Fragen möglicher Präventionsarbeit.

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WEITERE INFOS

Veröffentlichungen von Sven Reiß Website der Uni Kiel

Aktueller Aufsatz zum Thema Körperliche Kulturkritik – Päderastie in der deutschen Jugendbewegung

Vortrag von Sven Reiß: Homosexuelle Emanzipationsbewegung und sexueller Missbrauch Zum Forum Queeres Archiv München

Arbeitskreis „Schatten der Jugendbewegung“ Zur Webseite

taz-Artikel von Sven Reiß: Sie nannten es Geheimbund (2013) Zur Webseite der taz

Tagesschau: Dutzende Fälle sexualisierter Gewalt bei Pfadfindern. Ergebnis der Studie (2024) Zur Webseite der Tagesschau

Informationen zur Studie „Grenzenlose Orte. Sexualisierter Gewalt im Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP) 1976 bis 2006” Zur Webseite Pfadfinden

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HILFEANGEBOTE:

Hilfe-Telefon Sexueller Missbrauch 0800 22 55 530 – anonym und kostenfrei

Hilfe-Portal Sexueller Missbrauch

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Wenn man an Pfadfinder denkt, dann fallen einem neben dem Klischee der täglichen guten Tat vor allem Abenteuer in Zeltlagern, tolle Gemeinschaftserlebnisse und Naturverbundenheit ein. Doch die Erfolgsgeschichte hat Schattenseiten: Anfang des Jahres hat der Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder eine Studie zum sexuellen Missbrauch in den eigenen Reihen vorgestellt. Die Untersuchung geht von mindestens 50 Beschuldigten und 123 Betroffenen aus, dazu kommen der Studie zufolge 24 Beschuldigte und 26 Betroffene, die zwar aus dem Pfadfinder-Zusammenhang stammen, aber nicht zum Verband gehören. Der Schwerpunkt der Studie liegt auf den Jahren zwischen 1976 und 2006. Warum es bei Pfadfindern zu sexueller Gewalt kommen konnte, hat auch damit zu tun, dass sexuelle Gewalt bei den Pfadfindern lange als „pädagogischer Eros” akzeptiert und ideologisch legitimiert wurde.

Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche hat in deutschen Jugendbewegungen eine gewisse Tradition: Schon der 1921 wegen sexuellem Missbrauch rechtskräftig verurteilte Reformpädagoge Gustav Wyneken verteidigte sich vor Gericht, indem er sein Handeln als „pädagogischen Eros” verklärte. Er berief sich direkt auf das Vorbild griechischer Päderastie. Verquaste Vorstellungen, und doch wurden sie innerhalb der Pädagogik und der Jugendbewegung immer wieder als Legitimation für Übergriffe an Pubertierenden rezipiert. Ein anderer Ideologe, der Philosoph und Wandervogel Hans Blüher, beschrieb vor einhundert Jahren die Wandervogelbewegung als ein männerbündisches, erotisches Phänomen: päderastische „Heerführer der Jugend“ seien demnach die eigentlichen „Wirbelpunkte“ der Bewegung. Seither mangelte es nicht an bagatellisierenden Erklärungen, die unter den Begriffen einer „starken Freundesliebe“ oder jener „Kraft des Eros“ rein geistige Beziehungen verstanden wissen wollten. Bei solchen Einblicken stellt sich die Frage, ob man überhaupt noch Kinder in jugendbewegte Gruppen geben könne. Sven Reiß, der ausgiebig zum Thema „Sexuelle Gewalt in der deutschen Jugendbewegung” forscht, sagt: Man kann. Junge Menschen innerhalb der Szene sind sensibilisiert und brechen Tabus. Viele Bünde haben bereits eigene Präventionskonzepte zu diesem Thema und schulen ihre Mitglieder. Der Arbeitskreis „Schatten der Jugendbewegung“ fördert seit 2010 den offenen Austausch, bietet Schulungen an und widmet sich den Fragen möglicher Präventionsarbeit.

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Aktueller Aufsatz zum Thema Körperliche Kulturkritik – Päderastie in der deutschen Jugendbewegung

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Informationen zur Studie „Grenzenlose Orte. Sexualisierter Gewalt im Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP) 1976 bis 2006” Zur Webseite Pfadfinden

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