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"Marginalisierter Widerstand" – Sabine Fischer über die Gesellschaft in Putins Russland

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Hinweis: Das Gespräch ist am Freitag, 7. Juni, geführt worden.

Es ist inzwischen fast zweieinhalb Jahre her, dass Russland die Ukraine angegriffen hat. Seit dem 24. Februar 2022 gibt es täglich heftige Kämpfe. Tausende Menschen sind ums Leben gekommen, Millionen sind geflüchtet. Weil Russland auch die zivile Infrastruktur angreift, haben besonders in der Ostukraine viele Menschen keinen Zugang zu fließendem Wasser oder Strom. Währenddessen distanziert sich Russland immer mehr vom Westen. Diplomatische Beziehungen sind eingefroren, der Kreml droht regelmäßig mit Konsequenzen für westliche Waffen- oder Munitionslieferungen für die Ukraine. Weil nur noch wenige ausländische Journalisten in Russland arbeiten und die Pressefreiheit stark eingeschränkt ist, ist das Land nach außen regelrecht abgeschottet. Die Staatspropaganda verhindert, dass gesicherte Informationen Russland ohne Weiteres verlassen können. Deshalb spricht Carolin Emcke in dieser Folge von „In aller Ruhe“ mit der Politikwissenschaftlerin, Autorin und Russlandexpertin Sabine Fischer, die sich nicht nur mit der Politik, sondern auch der Gesellschaft des Landes auskennt.

Fischer, geboren 1996, hat bereits während ihres Studiums in Sankt Petersburg gelebt. Später promovierte sie mit einer Arbeit über Russlands Westpolitik und weitete ihre Forschung anschließend auf die Gesellschaft und Politik Osteuropas aus. Den Blick auf Russland hat sie dabei nie verloren, die Politikwissenschaftlerin lebte und arbeitete wiederholt in dem Land. Fischer hat in diversen Projekten zur russischen Außen- und Sicherheitspolitik geforscht. Zurzeit arbeitet die Politikwissenschaftlerin in der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, wo sie Teil der Forschungsgruppe Osteuropa und Eurasien ist und in dieser Funktion die Bundesregierung zu ihrem Kernthema berät. Ihr jüngstes Buch, "Die chauvinistische Bedrohung. Russlands Kriege und Europas Antworten" ist im vergangenen Jahr erschienen.

Der Spielraum für Widerstand wird in Russland immer kleiner

Im Gespräch mit Carolin Emcke erzählt Sabine Fischer, dass sie seit dem russischen Angriffskrieg täglich die russischen Medien verfolgt, um einen Überblick zu bekommen. Es sei schwerer geworden an Informationen aus Russland heranzukommen, besonders auf gesellschaftlicher Ebene. Große Teile ihrer früheren Kontakte hätten Russland inzwischen verlassen. Ein anderer Teil sei zwar noch vor Ort, aber habe sich aus öffentlichen und politischen Diskussionen zurückgezogen. "Die Repression und auch die Einschränkung der Berichterstattung hat solche Ausmaße angenommen, dass es wirklich spürbar schwerer geworden ist, über bestimmte Themen solide zu berichten."

Der Prozess der Abschottung und Unterdrückung kritischer Stimmen habe zwar nicht erst mit dem Beginn des Krieges am 24. Februar begonnen, er habe sich dadurch aber verstärkt. Sabine Fischer geht davon aus, dass sich die Situation vor Ort weiter verschlechtern werde. Gleichzeitig ist es der Politikwissenschaftlerin wichtig, dass die russische Gesellschaft nicht mit dem Regime des Kremls gleichgesetzt werden. "Es gibt in dieser Gesellschaft Widerstand. Marginalisiert, aber es gibt ihn." Doch diese Teile der Gesellschaft hatten inzwischen immer weniger Spielraum und es gebe nur noch wenige Möglichkeiten aus dem Ausland mit ihnen in Kontakt zu bleiben.

Die Entgrenzung politischer Debatten in Deutschland spielt Russland in die Hände

Fischer erläutert, dass Desinformation und Propaganda, nicht nur nach innen, sondern auch nach außen ein Teil der hybriden Kriegsführung Russlands sei. Ziel sei es, die westliche Gesellschaft zu destabilisieren – auch in Deutschland. Hierzulande gebe es inzwischen ein Bewusstsein dafür, wie Russland Desinformationen bewusst als Kriegswaffe einsetze. Doch nach Auffassung der Politikwissenschaftlerin reichen die bisherigen Maßnahmen, die dagegen ergriffen wurden – etwa der Entzug von Lizenzen für bestimmte Medien – bei Weitem nicht aus. "Was in viel stärkerem Maße getan werden müsste, ist, in die öffentlichen Debatten hineinzuwirken und dafür rechtliche Rahmen zu schaffen". In den sozialen Medien und dem Anstieg gewalttätiger Angriffe auf Politiker zeigt sich für Fischer schon jetzt, dass politische Debatten immer weiter entgrenzt werden – sowohl sprachlich als auch physisch. "Und das ist etwas, was dem russischen Einfluss voll in die Hände spielt."

Außerdem geht es im Podcast um die Frage, wie Russland den Krieg gegen die Ukraine bewertet. Fischer erklärt, dass es sich aus russischer Perspektive nicht um einen Angriffskrieg gegen ein souveränes Nachbarland handelt. Stattdessen gebe es in Russland das Gefühl, sich verteidigen zu müssen. "Nicht mal so sehr gegen das, was von der russischen Propaganda 'faschistisches Regime' in Kiew genannt wird, sondern tatsächlich gegen eine aggressive westliche Politik", so Fischer. Dieses Narrativ existiere schon seit der russischen Annexion der Krim, 2014, und habe sich seitdem auch nur wenig verändert. Aus Sicht der Politikwissenschaftlerin kämpft das Regime in Russland gegen alles, was liberal ist – sowohl nach außen, als auch gegen Teile der russischen Gesellschaft nach innen. "Russland versucht, die Ukraine zu vernichten, und gleichzeitig erkennt dieses Regime die Existenz der Ukraine ja überhaupt nicht an." Das sei ein Zeichen, dass das eigentliche Ziel des Krieges nicht die Ukraine sei, sondern der Westen.

Empfehlung von Sabine Fischer

Sabine Fischer empfiehlt zwei Bücher. Zum einen "Die Frauen von Belarus – Von Revolution, Mut und dem Drang nach Freiheit" von Alice Bota. Obwohl das Buch schon 2021 erschienen sei, lohne sich das Lesen. Auch deshalb, weil es ein sehr verständlich geschriebenes Buch sei. Außerdem empfiehlt Sabine Fischer "Das Land, das ich liebe – Wie es wirklich ist, in Russland zu leben" von Jelena Kostjutschenko. Sie habe selten eine derartig treffende Beschreibung der russischen Gesellschaft gelesen und erkenne viele ihrer eigenen Erfahrungen in diesem Buch.

Moderation, Redaktion: Carolin Emcke

Redaktionelle Betreuung: Ann-Marlen Hoolt, Johannes Korsche

Produktion: Imanuel Pedersen

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Hinweis: Das Gespräch ist am Freitag, 7. Juni, geführt worden.

Es ist inzwischen fast zweieinhalb Jahre her, dass Russland die Ukraine angegriffen hat. Seit dem 24. Februar 2022 gibt es täglich heftige Kämpfe. Tausende Menschen sind ums Leben gekommen, Millionen sind geflüchtet. Weil Russland auch die zivile Infrastruktur angreift, haben besonders in der Ostukraine viele Menschen keinen Zugang zu fließendem Wasser oder Strom. Währenddessen distanziert sich Russland immer mehr vom Westen. Diplomatische Beziehungen sind eingefroren, der Kreml droht regelmäßig mit Konsequenzen für westliche Waffen- oder Munitionslieferungen für die Ukraine. Weil nur noch wenige ausländische Journalisten in Russland arbeiten und die Pressefreiheit stark eingeschränkt ist, ist das Land nach außen regelrecht abgeschottet. Die Staatspropaganda verhindert, dass gesicherte Informationen Russland ohne Weiteres verlassen können. Deshalb spricht Carolin Emcke in dieser Folge von „In aller Ruhe“ mit der Politikwissenschaftlerin, Autorin und Russlandexpertin Sabine Fischer, die sich nicht nur mit der Politik, sondern auch der Gesellschaft des Landes auskennt.

Fischer, geboren 1996, hat bereits während ihres Studiums in Sankt Petersburg gelebt. Später promovierte sie mit einer Arbeit über Russlands Westpolitik und weitete ihre Forschung anschließend auf die Gesellschaft und Politik Osteuropas aus. Den Blick auf Russland hat sie dabei nie verloren, die Politikwissenschaftlerin lebte und arbeitete wiederholt in dem Land. Fischer hat in diversen Projekten zur russischen Außen- und Sicherheitspolitik geforscht. Zurzeit arbeitet die Politikwissenschaftlerin in der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, wo sie Teil der Forschungsgruppe Osteuropa und Eurasien ist und in dieser Funktion die Bundesregierung zu ihrem Kernthema berät. Ihr jüngstes Buch, "Die chauvinistische Bedrohung. Russlands Kriege und Europas Antworten" ist im vergangenen Jahr erschienen.

Der Spielraum für Widerstand wird in Russland immer kleiner

Im Gespräch mit Carolin Emcke erzählt Sabine Fischer, dass sie seit dem russischen Angriffskrieg täglich die russischen Medien verfolgt, um einen Überblick zu bekommen. Es sei schwerer geworden an Informationen aus Russland heranzukommen, besonders auf gesellschaftlicher Ebene. Große Teile ihrer früheren Kontakte hätten Russland inzwischen verlassen. Ein anderer Teil sei zwar noch vor Ort, aber habe sich aus öffentlichen und politischen Diskussionen zurückgezogen. "Die Repression und auch die Einschränkung der Berichterstattung hat solche Ausmaße angenommen, dass es wirklich spürbar schwerer geworden ist, über bestimmte Themen solide zu berichten."

Der Prozess der Abschottung und Unterdrückung kritischer Stimmen habe zwar nicht erst mit dem Beginn des Krieges am 24. Februar begonnen, er habe sich dadurch aber verstärkt. Sabine Fischer geht davon aus, dass sich die Situation vor Ort weiter verschlechtern werde. Gleichzeitig ist es der Politikwissenschaftlerin wichtig, dass die russische Gesellschaft nicht mit dem Regime des Kremls gleichgesetzt werden. "Es gibt in dieser Gesellschaft Widerstand. Marginalisiert, aber es gibt ihn." Doch diese Teile der Gesellschaft hatten inzwischen immer weniger Spielraum und es gebe nur noch wenige Möglichkeiten aus dem Ausland mit ihnen in Kontakt zu bleiben.

Die Entgrenzung politischer Debatten in Deutschland spielt Russland in die Hände

Fischer erläutert, dass Desinformation und Propaganda, nicht nur nach innen, sondern auch nach außen ein Teil der hybriden Kriegsführung Russlands sei. Ziel sei es, die westliche Gesellschaft zu destabilisieren – auch in Deutschland. Hierzulande gebe es inzwischen ein Bewusstsein dafür, wie Russland Desinformationen bewusst als Kriegswaffe einsetze. Doch nach Auffassung der Politikwissenschaftlerin reichen die bisherigen Maßnahmen, die dagegen ergriffen wurden – etwa der Entzug von Lizenzen für bestimmte Medien – bei Weitem nicht aus. "Was in viel stärkerem Maße getan werden müsste, ist, in die öffentlichen Debatten hineinzuwirken und dafür rechtliche Rahmen zu schaffen". In den sozialen Medien und dem Anstieg gewalttätiger Angriffe auf Politiker zeigt sich für Fischer schon jetzt, dass politische Debatten immer weiter entgrenzt werden – sowohl sprachlich als auch physisch. "Und das ist etwas, was dem russischen Einfluss voll in die Hände spielt."

Außerdem geht es im Podcast um die Frage, wie Russland den Krieg gegen die Ukraine bewertet. Fischer erklärt, dass es sich aus russischer Perspektive nicht um einen Angriffskrieg gegen ein souveränes Nachbarland handelt. Stattdessen gebe es in Russland das Gefühl, sich verteidigen zu müssen. "Nicht mal so sehr gegen das, was von der russischen Propaganda 'faschistisches Regime' in Kiew genannt wird, sondern tatsächlich gegen eine aggressive westliche Politik", so Fischer. Dieses Narrativ existiere schon seit der russischen Annexion der Krim, 2014, und habe sich seitdem auch nur wenig verändert. Aus Sicht der Politikwissenschaftlerin kämpft das Regime in Russland gegen alles, was liberal ist – sowohl nach außen, als auch gegen Teile der russischen Gesellschaft nach innen. "Russland versucht, die Ukraine zu vernichten, und gleichzeitig erkennt dieses Regime die Existenz der Ukraine ja überhaupt nicht an." Das sei ein Zeichen, dass das eigentliche Ziel des Krieges nicht die Ukraine sei, sondern der Westen.

Empfehlung von Sabine Fischer

Sabine Fischer empfiehlt zwei Bücher. Zum einen "Die Frauen von Belarus – Von Revolution, Mut und dem Drang nach Freiheit" von Alice Bota. Obwohl das Buch schon 2021 erschienen sei, lohne sich das Lesen. Auch deshalb, weil es ein sehr verständlich geschriebenes Buch sei. Außerdem empfiehlt Sabine Fischer "Das Land, das ich liebe – Wie es wirklich ist, in Russland zu leben" von Jelena Kostjutschenko. Sie habe selten eine derartig treffende Beschreibung der russischen Gesellschaft gelesen und erkenne viele ihrer eigenen Erfahrungen in diesem Buch.

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