Wechselnde Sorgen in Ehe und Zölibat 1 Kor 7,32-35
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Was haben die Menschen um mich herum davon, dass ich zölibatär lebe? Die einfachste Antwort wäre, dass ich mehr Zeit für sie habe. Das stimmt zwar, ist aber hoffentlich nicht die einzige Antwort. Auch ein Wirtschaftsunternehmen hat unter Umständen mehr von einem Angestellten, wenn er keine Rücksicht auf eine Familie nehmen muss.
Im Evangelium wird uns eine andere Antwort gegeben. Jesus sagt, es gebe Leute, die blieben „um des Himmelreiches willen“ unverheiratet (Mt 19,12). Dasselbe meint Paulus im Ersten Korintherbrief: „Der Unverheiratete sorgt sich um die Sache des Herrn; er will dem Herrn gefallen.“ (1 Kor 7,32)
Und im scharfen Kontrast dazu beschreibt Paulus den verheirateten Menschen: Er „sorgt sich um die Dinge der Welt; er will seiner Frau […] sie will ihrem Mann gefallen.“ (1 Kor 7,33.34) Und daher, sagt Paulus, „ist er geteilt“.
Ist das wirklich so? Sind die Zölibatären ungeteilt für Gott da und die Verheirateten zwischen Gott und Welt zerrissen?
Sagen wir es so: Beides kommt vor. Es gibt Menschen, die wählen in Freiheit die ehelose Enthaltsamkeit, um sich „um die Sache des Herrn zu sorgen“. Das bedeutet nicht eine Alternative zum Dienst an der Welt. Im Gegenteil. Es bedeutet, auf diese Weise „ungeteilt“ mit Christus verbunden und verfügbar zu sein, um ganz mit Gott für die ihm anvertrauten Menschen und mit den Menschen für Gott und seine neue Welt da zu sein.
Und ja, es gibt verheiratete Menschen, die einen dauernden Konflikt erleben und erleiden zwischen geistlichem Leben und weltlichen Verpflichtungen, zwischen dem Anspruch des Evangeliums und den Ansprüchen, Plausibilitäten und Machbarkeiten in der Welt ihres täglichen Lebens.
Wovon Paulus allerdings nicht spricht, ist, dass es auf Seiten der Zölibatären und der Eheleute auch jeweils andersherum sein kann.
Es gibt Zölibatäre, die so sehr zerrissen sind von unfreien Beziehungen, Eitelkeiten oder einer allgemeinen Unordnung ihres Lebens, dass von der Liebe Gottes und dem neuen Leben, zu dem sie befähigt, nichts zu bemerken ist.
Und zugleich gibt es andererseits Ehepaare, die es verstehen, das Sakrament ihrer Liebe und ihre Sendung für ihre Kinder und ihre Gemeinde, für die Gesellschaft und für Menschen in Not so zu verwirklichen, dass man ahnt, was Jesus meinte, als er sagte, dass Reich Gottes sei schon mitten unter uns.
Vielleicht hilft es, sich in die Zeit des Apostels Paulus zu versetzen. Für die frühen Christen war die Gleichzeitigkeit der Weltlichkeit einer libertären städtischen Gesellschaft wie der in Korinth einerseits und dem neuartigen, konkreten Anspruch der Nachfolge Christi andererseits eine wirkliche Zerreißprobe, die sie als „Geteilt-Sein“ empfunden haben.
Das erklärt auch, warum Paulus und die frühe Kirche das ungeteilte Dasein für die Nachfolge und Sendung Jesu nach dem Modell der ersten Apostel als korrektives Gegenzeugnis wahrgenommen und propagiert haben. Und durch die Geschichte hindurch hat es leuchtende und wirksame Beispiele für dieses Zeugnis gegeben.
Andererseits gibt es auch Zeiten oder Situationen, in denen vor allem auch andersherum das Zeugnis der Eheleute für die Ehelosen notwendig wird.
Denn wo zum Beispiel die zölibatäre Lebensform und Lebenskultur verkommt, wo sie entweder als narzisstisch oder dekadent, als verbürgerlicht oder verlogen oder aus anderen Gründen als unglaubwürdig wahrgenommen wird, dort braucht es umso mehr das Zeugnis derer, die als Eheleute ungeteilt mit Gott füreinander da sind – und miteinander für Seine Liebe zu den Menschen.
Für meine Berufungsgeschichte waren sowohl verheiratete als auch zölibatär lebende Christen wegweisend. Und auch Verheiratete haben mich verstehen lassen, dass derselbe Gott, der sie zur Ehe berufen hat, andere Menschen auch zu anderen Lebensformen beruft und befähigt.
Zum Beispiel dazu, sich um Seiner Liebe willen ohne die Bindung an einen Menschen für viele Menschen zu verschenken.
Fra' Georg Lengerke
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